Freitag, 5. Januar 2018

Besuch in der Schreibstube (3)



Als ich heute in meiner Schreibstube vor dem Computer saß und in meinen Aufzeichnungen zum letzten Band der Antiquerra-Saga las, spürte ich unerwartet einen Luftzug hinter meinem Rücken. Gleich darauf legte mir jemand die Hände auf die Schultern. Ein feiner, würziger Duft nach feuchtem Waldboden und Tannenholz streifte mich und als ich den Kopf wandte, blickte ich in das Gesicht von Luczin, dem Vampir. Wie ihr vielleicht wisst, ist Luczin einer der Protagonisten meiner Antiquerra-Saga.

Er grinste mich an. „Jetzt hab ich dich endlich erwischt. Hast du dich etwa vor mir versteckt?“

„Wie kommst du darauf?“ Ich schüttelte den Kopf. „Nein, hab ich nicht.“

Luczin sah mich aufmerksam an. „Was ist los mit dir? Deine Schritte sind in Antiquerra derzeit kaum zu hören.“

Ich stutzte. Wie meinte er das? Dann fiel mir ein, dass Luczin einmal gesagt hatte, dass er mich in Antiquerra herumlaufen hören würden, sobald ich zu schreiben anfing. Er und seine Gefährten nahmen das immer als Zeichen, dass sie zu mir kommen konnten. Mir ging ein Licht auf! In den letzten Wochen hatte ich zwar das Handlungs-Gerüst sowie die Kapitelabfolge für den letzten Band der Reihe ausgearbeitet, aber Schreiben konnte man das wohl noch nicht nennen. Es diente eher der Vorbereitung des Schreibens.

„Luczin, du weißt doch, dass ich mit den Ereignissen hinter den Nebeln Antiquerras beschäftigt war.“ Ich zögerte. „Außerdem geht derzeit alles etwas langsamer, ich  fühle mich irgendwie ein bissel erschöpft …“

„Erschöpft? Du?!“ Luczin schaute mich forschend an.

„Ich bin halt nur ein Mensch“, erwiderte ich und setzte im Geiste hinzu: hoffe ich zumindest.

„Was heißt: Du hoffst es?“

Mist, er hatte mal wieder meine Gedanken aufgeschnappt!

„Na ja“, ich wand mich ein wenig. „Ich bin in letzter Zeit tagsüber so müde, werde erst nachts munter, wenn ich eigentlich schlafen will. Dummerweise klappt das nicht. Nachts gehen meine Gedanken ständig auf Reisen und morgens bekomme ich dann kaum die Augen auf.“ Ich komme mir schon vor wie ein Geschöpf der Nacht, setzte ich lautlos hinzu und versuchte mit aller Gewalt, meinen Verdacht zu unterdrücken, dass Luczin mich bei einem seiner früheren Besuche gebissen hatte und ich jetzt allmählich zum Vampir wurde.

Luczin drehte mich mit meinem Stuhl so, dass ich ihn ansehen musste. Mit ernster Mine beugte er sich nah vor mein Gesicht. „Zeig mir deine Zähne!“

Ich zog automatisch die Lippen hoch.

Er winkte ab. „Alles in Ordnung, Süße. Du wirst kein Vampir. Hätte mich auch gewundert, schließlich hab ich noch keinen der gläsernen Drachen bei dir gesehen.“

Ich drehte ich mich mit meinem Stuhl von ihm weg und wandte mich dem Computer zu. „Du würdest es mir doch sagen, wenn die Drachen mitkämen, oder?“

Luczin fing an, zu lachen. „Du scheinst wirklich müde zu sein, sonst würdest du solche Fragen nicht stellen! Süße, kein Vampir kann seine AUTORIN beißen. Es gibt da eine natürlich Sperre, die das unmöglich macht. Reicht dir das?“ Luczin drehte mich wieder zu sich herum.

Ich nickte. „Ja … Ich brauche einen Kaffee!“

Ich stand auf und während mir meine Senseo wenig später das schwarze Getränk zubereitete, lenkte ich das Gespräch auf die Ereignisse in Antiquerra. „Habt ihr den Eingang zur Steinwelt mittlerweile gefunden?“

„Nein!“ Luczin atmete hart aus und ging dann  in meiner Schreibstube auf und ab. Plötzlich blieb er stehen und sah zu mir hin. „Kann es sein, dass hinter den Nebeln von Antiquerra etwas schiefgelaufen ist? Von Niven haben wir nämlich auch noch nichts gehört, seit er zu dieser Lili gegangen ist! Meine Gefährten und ich machen uns Sorgen.“

Ich rührte Milch in meinen Kaffee und trank einen Schluck. Sofort hatte ich das Gefühl, dass meine Lebensgeister wieder erwachten. Ich ging auf Luczin zu. „Die gute Nachricht ist: Die wahre Dunkelheit hat sich enthüllt und der Feind kann endlich beim Namen genannt werden. Aber – er ist noch nicht endgültig besiegt.“ Ich trank noch einen Schluck und dachte nach. Zuviel durfte ich ihm nicht verraten, er musste selbst die Zusammenhänge herausfinden. „Ihr werdet sicher bald mehr erfahren. Haltet einfach die Augen offen.“ Ich lächelte ihn an. „Wenn ich Du wäre, würde ich mich ein wenig am Großen See umsehen, bei den Arcanäs. Einer von ihnen heißt Ardrel …“ Als Luczin nickte, seinen Blick dabei aber nicht von mir abwandte, setzte ich noch eines drauf. „Was würdest du davon halten, wenn du Kieran noch einmal sehen könntest?“

Über Luczins Gesicht flog ein heller Schein, dann schüttelte er den Kopf. „Das wäre wirklich schön, aber es ist unmöglich, wie du selbst weißt.“

Nun, derzeit wusste ich eine ganze Menge mehr als er, schließlich war ich die Autorin der Antiquerra-Saga. Ich stellte meine Kaffeetasse zur Seite, stellte mich auf die Zehenspitzen und flüsterte in Luczins Ohr: „Antiquerra hat so viele Geheimnisse, nicht wahr?“

Luczin lächelte und einen kurzen Augenblick lang sah ich seine spitzen Zähne. „Das ist wohl wahr!“ Er zog mich an sich, hauchte einen Kuss in mein Haar. „Ich nehme an, ein paar der Geheimnisse werden meine Gefährten und ich noch ans Licht bringen?“

„Da bin ich sicher!“

„Gut, das beruhigt mich.“ Luczin sah durch das Fenster nach draußen.  „Es ist schon ziemlich dunkel geworden. Zeit, mich wieder auf den Weg machen, die anderen warten sicher schon auf mich.“ Luczin hielt mich ein Stückchen von sich weg. „Das nächste Mal will ich dich wieder frisch und energiegeladen erleben!“

Ich grinste ihn an. „Keine Sorge, meine Tage und Nächte kommen auch wieder ins Gleichgewicht. Wenn es soweit ist, wirst du es an der Art merken, wie meine Finger über die Tasten laufen. Soweit ich weiß, überträgt sich das ja auf die Erde Antiquerras …“

Wenig später war ich wieder allein. Nach einem Blick auf die Uhr schloss ich die Fenster meines Computers und fuhr ihn herunter. Es konnte sicher nicht schaden, wenn ich einmal etwas früher schlafen ging …






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