Samstag, 30. Mai 2015

Kurzgeschichten schreiben

 

Das Schreiben einer guten Kurzgeschichte zählt nicht ohne Grund zu den schwierigsten Aufgaben für einen Schriftsteller. Anders als beim Roman, bei dem sich Figuren und Handlung auf vielen Seiten entwickeln können, steht der Kurzgeschichte nur wenig Platz zur Verfügung, im Mittel etwa zwischen 20.000 und 25.000 Zeichen mit Leerzeichen. Das erfordert zum einen die Fähigkeit, auf den Punkt zu schreiben sowie Überflüssiges zu erkennen und zu vermeiden. Zum anderen stellt einen das vor die große Herausforderung, Figuren mit wenigen Worten klar zu zeichnen und greifbar werden zu lassen sowie ihre Geschichte innerhalb eines Rahmens von Anfang bis Ende stringent in einer deutlichen Linie zu entwickeln.

Kurz gesagt: Eine gute Kurzgeschichte hat einen klaren, roten Faden, der sich erkennbar durch die gesamte Geschichte zieht, schweift nicht ab und ist handwerklich gut ausgereift. Sie sollte naturgemäß nur wenige Protagonisten besitzen, in die sich der Leser aber sofort hineinversetzen kann, und muss ein echtes, gerne auch überraschendes Ende aufweisen. Vor allem der Schluss einer Kurzgeschichte ist sehr wichtig und sollte sorgfältig vorbereitet werden. Er darf nicht abrupt kommen, sondern muss sich in logischer Folge entwickeln. Eine unerwartete Pointe als I-Tüpfelchen macht das Ganze dann perfekt.

Für den Autor bedeutet das, dass er die zu schreibende Kurzgeschichte genauso sorgfältig planen muss wie einen Roman. Die wichtigste Frage stellt sich gleich zu Anfang: ob sich der Stoff, den er im Kopf hat, überhaupt für eine Kurzgeschichte eignet. Das kann man herausfinden, indem man die einzelnen Stationen der zu schreibenden Geschichte und die Handlungen der Figuren - zumindest im Kopf, besser noch auf Papier - grob skizziert. Dann muss der Autor überlegen, ob die Geschichte tatsächlich in den vorgegebenen Zeichenanzahl-Rahmen passen könnte. Oft fällt das leichter, wenn man die bei Ausschreibungen oder von Verlagen geforderte Zeichenanzahl in Normseiten umrechnet.

Eine Normseite verfügt über 1.800 Zeichen. Beim Schreiben entstehen durch Absätze und nicht ausgeschriebene Zeilen aber Leeräume, sodass man für die Umrechnung im Durchschnitt nur von etwa 1500 bis 1600 Zeichen pro Normseite ausgehen kann. Bei einer Vorgabe von 20.000 Zeichen mit Leerzeichen und dem Rechenwert (Erfahrungswert) einer Normseite von ca. 1.550 Zeichen wären das also dreizehn Seiten.

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